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Deutsche Gesellschaft für Öffentliches Gesundheitswesen


25.10.2023

Stellungnahme der DGÖG e.V. zum geplanten neuen ‚Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin‘ (BIPAM)

Die Deutsche Gesellschaft für Öffentliches Gesundheitswesen begrüßt die in der Pressekonferenz am 4.10.2023 vor Herrn Minister Prof. Lauterbach angekündigte Einrichtung eines neuen Bundesinstituts, um Prävention und öffentliche Gesundheit in Deutschland zu stärken. Ein Bundesinstitut mit einem klaren Fokus auf die Prävention nichtübertragbarer Erkrankungen wird dem vorherrschenden Krankheitspanorama gerecht und kann einen wesentlichen Beitrag leisten, die zu hohe vorzeitige Krankheitslast und Sterblichkeit in Deutschland zu senken.
Es ist ein sinnvolles Vorgehen, die auf Bundesebene bisher strukturell getrennte handlungsorientierte Datenanalyse (z.B. durch Gesundheitsberichterstattung) und die Maßnahmenplanung (z.B. durch Prävention und Gesundheitsförderung) institutionell zu bündeln.

Wichtig bei dieser Zusammenführung der Arbeitsfelder bisher getrennter Behörden wird es jedoch sein, wesentliche vorhandene Kompetenzen und Ressourcen nicht nur weiterzuführen, sondern wissensbasiert und gleichzeitig handlungsorientiert auszubauen. Analysen zur gesundheitlichen Lage, der Bedeutung sozialer Determinanten von Gesundheit sowie die Unterstützung gesundheitsförderlicher Lebensweltansätze werden für die Sicherstellung der Gesundheit aller auch in Zukunft hochrelevant sein.
Eine kooperierende und koordinierende Institution für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) als stärkstes Praxisfeld von Public Health einzurichten, ist ausgesprochen sinnvoll und ein seit langer Zeit überfälliger Schritt.

Modell eines Herzens in Hand

Die Einrichtung des neuen Bundesinstituts wie auch seine praxisorientierte Ausrichtung sind daher aus unserer Sicht wesentliche Schritte in die richtige Richtung. Gleichwohl gilt es, das „Richtige nun richtig zu tun“. Folgende in der Pressekonferenz konkretisierten Merkmale des geplanten Bundesinstituts sehen wir aus fachlicher Perspektive kritisch und dringend ergänzungswürdig:

  1. Der Name „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin“ ist in mehrfacher Hinsicht als einseitig und rückwärtsgewandt zu bewerten. Der Name impliziert eine v.a. medizinisch individuelle Ausrichtung des neuen Instituts, die im Gegensatz zum Forschungsstand zur Wirksamkeit von Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung auf der Bevölkerungsebene steht. Wirksame Ansätze zur Prävention und Gesundheitsförderung sind daher meist inter- und multidisziplinär angelegt. Neben medizinisch geprägten Präventionsmaßnahmen stehen zum einen gleichbedeutend gesundheitsförderliche Ansätze mit dem Fokus auf Schutzfaktoren (z.B. für die mentale Gesundheit). Wesentliche Bedeutung haben darüber hinaus Lebensweltmaßnahmen z.B. in Schulen und Kindergärten für die Gruppe der Kinder und Jugendlichen sowie verschiedene, explizit nichtmedizinische Politikfelder beeinflussende Handlungsansätze („Health in All Policies“ – z.B. die Umwelt bzgl. Klimawandel, Verkehr oder Landwirtschaft betreffend). Im Gegensatz dazu ist ein Fokus auf „Aufklärung“ als wissenschaftlich rückschrittlich zu bewerten. Die bisherige namentliche Engführung des Instituts auf „Prävention und Aufklärung in der Medizin“ ist somit insgesamt nicht zeitgemäß und sollte bis zur Gründung des Instituts noch dringend angepasst werden.
  2. Der Name des neuen Bundesinstituts ist aufgrund seiner Signalwirkung wirklich bedeutsam. Noch bedeutsamer wird aber die inhaltliche Arbeit und Ausrichtung des Instituts sein. Auf Bundesebene fehlen bisher Beratungs- und Entscheidungsstrukturen für Prävention und Gesundheitsförderung, wie sie sich etwa in Form von Gesundheitskonferenzen sowohl auf kommunaler wie Landesebene vielfach bewährt haben. Solche Strukturen sind notwendig, um gesundheitsrelevante Politikfelder gestalten und entsprechende evidenzinformierte Entscheidungen für mehr Gesundheit treffen zu können. Mit dem Aufbau des Bundesinstituts sollten solche Strukturen auch auf Bundesebene geschaffen werden, um von einer hauptsächlich finanzpolitisch zu einer zukünftig stärker gesundheitspolitisch geprägten Entscheidungsfindung beitragen zu können. Diese auf dem Weg zu einer besseren Gesundheit notwendige Zielsetzung sollte im Entstehungsprozess des neuen Instituts daher dringend berücksichtigt sowie spezifiziert werden.

Die geplante enge Abstimmung des neuen Instituts mit der Praxis und seine Funktion zur Stärkung des ÖGD ist sinnvoll und dringend vonnöten. Die interdisziplinäre Arbeit des v.a. kommunal organisierten ÖGD kann durch eine stärkere Wissensbasierung und eine verbesserte kleingebietige Verfügbarkeit von Informationen zur gesundheitlichen Lage für die Praxis ganz erheblich profitieren. Die Deutsche Gesellschaft für Öffentliches Gesundheitswesen unterstützt die Einrichtung des neuen Bundesinstituts daher insgesamt ausdrücklich und bietet gern ihre Unterstützung an, damit die Integration von praktischen und wissenschaftlichen Anforderungen an diese neue Institution gelingen kann.

Dr. Susanne PruskilProf. Dr. Bertram Szagun

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